Es ist Donnerstag, 6:30 Uhr morgens und meine Nachtschicht ist vorbei. Draußen wartet mein guter Freund Axel, denn wir wollen zum wandern in den Allgäu. Der Zeitschuh drückt, also ab ins Auto und mit Karacho nach Oberstdorf.

Ankunft in Oberstdorf

Seit gut 18 Stunden bin ich wach, demnach versuche ich ein wenig im Auto zu schlafen, was mir aber nicht so recht gelingen will. Ich döse zwar immer wieder ein, aber richtigen Schlaf bringe ich nicht zustande. So gegen 13:30 Uhr erreichen wir Oberstdorf und verzweifeln daran, einen Parkplatz zu finden. Deutschland und seine digitale Infrastruktur sage ich nur. Man könnte Bücher mit diesem leidlichen Thema füllen. So gut wie kein Parkscheinautomat der Bargeldlos oder per App funktioniert. Immerhin müssen wir rund 40 € für das Ticket latzen, so viel Kleingeld hat doch kein Mensch im Säckel.

Start in Spielmannsau

In Oberstdorf müssen wir noch einige Erledigungen machen. Axel möchte sich noch unbedingt eine bestimmte Wanderhose kaufen, also suchen wir einen der unzähligen Outdoor-Shops auf und werden fündig. Danach gehts zum nächstgelegenen Supermarkt, wo wir uns mit leichtem Proviant und Wasser eindecken. Danach bringt uns ein kleiner Bus nach Spielmannsau, und genau hier beginnt unser Wanderweg. Geplant sind 3 Etappen auf dem E5 nach Österreich, von wo wir uns am Sonntag in Richtung Heimat aufmachen wollen.

Aufstieg zur Kemptner Hütte

Ziemlich genau um 16 Uhr starten wir auf dem E5 Wanderweg, der uns Heute zur Kemptner Hütte bringen soll. Ziemlich Spät wie ich finde. Bis zur Hütte sind es rund 10km und ca. 800 Höhenmeter. Klingt nicht viel, aber der Weg hat es in sich. Die ersten paar Kilometer gehts beschaulich durch das Trettachtal. Seitlich plätschert die Trettach, ein Gebirgsbach. Es ist sehr heiß, in Oberstdorf zeigte das Quecksilber 32°C, demnach sind wir schnell patschnaß geschwitzt. Trotz meines Schlafmangels fühle ich mich sehr gut und bin hochmotiviert. Zügig erreichen wir den Wald und kommen an der Materialseilbahn der Kemptner Hütte vorbei. Weiter an der Trettach entlang, geht es stets bergauf. Der Boden ist matschig und rutschig, also eine gute Gelegenheit die Wanderstöcke auszupacken.

Es wird bergig

Wir sind schon eine Weile unterwegs. Der Wald lichtet sich und gibt wundervolle Blicke auf die Felsenmassive frei. Der Mond ist schon aufgegangen. Jetzt überqueren wir den Sperrbach. Man merkt die zunehmende Höhe und zu unseren Seiten, ragen riesige Felsenmassive auf. Wir laufen weiter durch die Sperrbachklamm bis zu unserem heutigen Ziel. Erst gegen halb neun am Abend erreichen wir die Kemptner Hütte. Die Küche ist bereits geschlossen, sodass eine kleine Brotzeit ausreichen muss. Wir genießen noch den Sonnenuntergang mit seinem prächtigen Farben und verschwinden dann auch auf der Stube. Für die rund 10 km brauchten wir rund 4 1/2 Stunden, andere schaffen das wohl in unter drei Stunden – unglaublich.

Am zweiten Tag - Abstieg nach Holzgau

Die Nacht ist unruhig bzw. einer unserer Zimmergenossen ist aberwitzig früh aufgestanden. So gegen Sieben kommen wir dann auch endlich aus dem Quark und machen uns für den Tag bereit. Der heutige Weg soll uns zum Württemberger Haus bringen. Dazu müssen wir ins Tal nach Holzgau absteigen um von dort mit einem Bus nach Madau zu fahren. Dort beginnt der zweite Teil der Etappe. Aufstieg zum Leiterjöchel und anschließend bergab zum Ziel, dem Württemberger Haus.

Viel zu Spät

Kurz vor Neun sind wir dann auch endlich auf dem Weg nach Holzgau. Wir sind die letzten die aufbrechen. Zunächst geht es erstmal knackig bergauf und der Puls schnellt in die Höhe. Das Wetter ist ziemlich frisch, der Himmel bewölkt aber die Sonne findet immer wieder ein Schlupfloch – wie schön. Kurz vor dem Abstieg, über die Rossgumpenalm, überqueren wir die Grenze nach Österreich. Ab jetzt sind wir in Tirol. Die Landschaft ist ein Traum. Ich bin zwar nicht das erste Mal in Alpen, jedoch ist dies meine erste transalpine Wanderung mit Übernachtungen. Von nun an geht es bergab, stellenweise sehr steil auf losem Geröll und einmal legt es mich auf die Nase. Außer einem Schreck und ein paar blutigen Kratzern ist zum Glück nichts passiert. Weiter gehts Richtung Tal zum Rossgumpen Wasserfall.

Wasserfall und Hängeseilbrücke

Am Wasserfall machen wir eine kurze Pause. Ich versuche meine Fotografie Skills zu vertiefen. Neben dem iPhone habe ich die Sony RX100Va dabei, jedoch gelingen mir nur wenige Bilder. Es ist schon ein Unterschied ob man schnell mit dem Smartphone einen Schnappschuss macht, oder eben mit einer Kamera im manuellen Modus. Wie dem auch sei, die Fotografiererei bedarf schon einiges an Zeit und ich brauche deutlich mehr Know How und Routine.

Es beginnt zu regnen, leider mehr als nur ein kurzer Schauer, sodass wir ab jetzt in Regenmontur weiterlaufen. Der vor uns liegende Weg ist sehr einfach zu gehen und wir erreichen zügig die Holzgauer Hängebrücke. Schon beeindruckend, die Brücke erinnert mich an die >> Geierley Hängeseilbrücke im Landkreis Cochem-Zell an der Mosel. Ab der Seilbrücke geht es steil bergab in den Ort Holzgau. Um 13 Uhr kommen wir an der Bushaltestelle in Holzgau an. Von der Kemptner Hütte bis nach Holzgau brauchen wir rund vier Stunden. Leider müssen wir gut zwei Stunden auf den nächsten Bus warten, also gehen wir zum Mittagessen in den gegenüberliegenden Gasthof.

Per Bus nach Madau

Gegen 15:30 Uhr sind wir wieder auf dem Wanderweg und dem zweiten Teil der heutigen Etappe. Der Weg schlängelt sich entlang am Röttalbach durch das Tal, aber stetig bergauf. Seit Holzgau ist das Wetter auch wieder besser und die Sonne scheint zeitweise aber es ist sehr schwül. Zum ersten Mal auf der Tour, entdecke ich ein paar Murmeltiere.

Aufstieg zum Leiterjöchl

Das Tal wandelt sich mehr und mehr zu einer Geröll- und Felswüste. Der Anstieg wird immer steiler und das Wetter verschlechtert sich. Ein Blick hinter uns offenbart, was sich da im Tal zusammenbraut und uns einholen wird. Wie dem auch sei, der Weg zum Württemberger Haus ist kürzer, als der Weg nach Madau bzw. Holzgau, demnach gibt es kein zurück. Wir stehen vor einer Felswand umringt von losem Geröll. Es regnet, dennoch müssen wir hier irgendwie hoch und irgendwie gelingt es uns auch. Ich habe das Gefühl das meine Hände an den Wanderstöcken gleich festfrieren und meine gute Laune schwindet allmählich. 

Plötzlich stehen wir vor einem Klettersteig. Nun, vielleicht sind wir nicht so gut vorbereitet, aber von einem Klettersteig haben wir nichts gelesen. Sicherlich würde es hier einen Heidenspaß machen wenn die Sonne scheint und es 20-25° wäre. Aber jetzt in diesem Moment regnet es und die Felsen sind rutschig. Außerdem bricht die Dämmerung so langsam an. Aber alles Jammern hilft nicht, wir müssen hier hoch. Axel erzählt mir, dass er ein Wanderpärchen hinter uns gesehen hat, aber noch deutlich tiefer als wir. Jedenfalls haben wir nichts mehr von denen auf dem Rest der Etappe gesehen und hoffen das sie an ihrem Ziel Wohl und Heil angekommen sind. Wir erreichen den Gipfel des Wegs. Ab jetzt geht es nur noch bergab. Wir versuchen unsere Unterkunft telefonisch zu erreichen, doch die Verbindung reißt immer wieder ab, aber die Wirte wissen wenigstens, dass wir auf dem Weg sind.

Endspurt zur Unterkunft

20:15 Uhr, ich knippse meine letzten Fotos des Tages, aber auch schon während des Aufstiegs habe ich die Kamera kaum angefasst. Wir stehen auf dem höchsten Punkt des Weges. 2516m zeigt meine Uhr. Gestartet sind wir bei ca. 1320m

6 1/2 Stunden seit dem Start in Madau, erreichen wir gegen 22 Uhr bei Regen und vollkommener Dunkelheit das Württemberger Haus. Die Wirte haben uns das Abendessen aufgehoben, was wir super Nett finden. Spaghetti Bolognese, das tut sehr gut. Auf den 13 km von Madau aus, haben wir nur eine kurze Pause gemacht und sind nahezu durchgelaufen. Wir sitzen noch eine Weile in der warmen Gaststube aber gegen Mitternacht krabbel ich in mein Bett – ich bin fix und fertig.

Am dritten Tag - Abstieg nach Zams

Die Nacht war kurz. Auch diese Nacht war relativ Unruhig, da ständig Jemand in oder aus dem Matratzenlager schlich und die Tür schrecklich knarzte. Um 9 Uhr machen wir uns wieder auf den Weg. Es steht der Abstieg nach Zams an. Draußen ist es sehr frisch und Naß. Offenbar hat es in der Nacht noch lange geregnet. Schwere Wolkenschwaden hängen in und zwischen den Bergen.

Die Wanderstiefel und auch der Rest der Klamotten sind noch ziemlich Klamm. Naja, die werden schon am Körper trocknen. Der Weg führt zumeist schön bergab, jedoch ist es rutschig. Das Tal liegt in dicken Wolken, aber es sieht fantastisch aus. Zum Glück regnet es nicht, sodass wir die Regenklamotten ausziehen können. Es geht über Geröllfelder und an Wasserfällen vorbei. Ziemlich oft kann man Alpensalamander am Boden entdecken, so passen wir auf, keinen zu zertreten.

Steinlawine voraus

Kurz vor der Baumgrenze überqueren wir ein massives Geröllfeld. Es sieht aus wie ein Felsabbruch, der sich wie eine riesige Zunge quer über das Tal legt. 

Es geht noch eine ganze Weile durch den Wald und aus den Geröll- und Schotterwegen werden matschige Wege mit gefährlich glatten Wurzeln. Mehrmals liege ich fast auf der Nase und nur meine Stöcke verhindern das. Eventuell muss ich mein Schuhwerk mal überdenken. In Zams angekommen lassen wir uns von einem Taxi in unser 9km entferntes Hotel chauffieren. Das zahlen wir mit 50 € was bei mir kurz für Atemnot sorgt.

Von Zams aus fahren wir am Sonntag mit dem Zug zurück nach Oberstdorf, was sich auch als kleines Abenteuer entwickelt.

Zusammenfassung und Fazit

Von Donnerstag bis Sonntag, waren wir in drei Etappen, auf dem europäischen Fernwanderweg E5 unterwegs. Dabei sind wir ca. 45km, 2100m bergauf und 2480m bergab gelaufen. Eine außergewöhnliche Erfahrung für zwei Typen die aus eher flacheren Gefilden kommen. Wir sind keine Bergsportler und die drei Etappen haben uns hart gefordert. Ganz besonders hat sich der Nachmittag über das Leiterjöchl zum Württemberger Haus in mein Gedächtnis eingebrannt. Nichts desto trotz würde ich solche Abenteuer gerne öfters unternehmen, mal sehen was kommenden Sommer möglich wird. Bevor ich mich jedoch in ein neues alpines Abenteuer stürze, werde ich meine Ausrüstung stark nachbessern. An erster Stelle meine Schuhe.  Sie sehen zwar aus wie Wanderstiefel und sind auch einigermaßen Wasserdicht, jedoch ist der Grip schlecht. Häufig rutsche ich einfach weg, einmal stürze ich sogar. An zweiter Stelle mein Rucksack. Ich bin mit einem Fahrradrucksack, der relativ Breit baut und keine ausreichend breiten Hüftflossen hat, losgezogen. Es ging zwar, jedoch verspreche ich mir von einem deutlich schmaleren und leichteren Rucksack einen Komfortgewinn. Rückblickend hat es dennoch Spaß gemacht und ich empfehle jedem, der einigermaßen schwindelfrei und trittsicher ist, auch mal eine solche Tour zu machen.

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